6. Türchen

Wie sieht der Weihnachtsmann wirklich aus?

Es war in dem Jahr 1959, ich kann mich noch genau erinnern, das Moderne, wie heute, gab es noch nicht! In der Vorweihnachtszeit wurde der Weihnachtsbaumschmuck gebastelt, wenn man Glück hatte, war ein Fernseher vorhanden, das Programm, dürftig! Wir Kinder waren lieber bis in die Dämmerung draußen und spielten an der frischen Luft. Je näher Weihnachten rückte, um so aufgeregter würden wir! Hätte der Weihnachtsmann unsere Wunschzettel erhalten, hoffentlich bringt er uns unsere Geschenke, die wir uns von ihm sehnlichst wünschten? In den Bilderbüchern hatte ich den Weihnachtsmann schon oft gesehen, aber wie sah er in Wirklichkeit aus? Mein Traum war es, den Weihnachtsmann einmal kennen zu lernen! Am Heiligabend blieb ich immer extra lange auf, saß am Kamin und hoffte, ich würde ihn, wenn er durch den Kamin kommen würde, sehen! Aber vergebens, ich schlief ein und wachte am Morgen im Bett auf. Der Weihnachtsmann war da gewesen und die Geschenke lagen unter dem Weihnachtsbaum. Ich war gerade 8 Jahre alt geworden, in diesem Jahr musste es mir gelingen, dass ich am Heiligabend den Weihnachtsmann traf! Ich ging an diesem Heiligabend, zur Verwunderung meiner Eltern, früh zu Bett und stellte mir den Wecker. Der Wecker klingelte! Fluchs war ich angezogen und schlich mich ins Wohnzimmer. Ich hatte vorgesorgt, sollte ich wieder einschlafen, für diesen Fall baute ich aus Schnur eine Falle, dann musste ich den Weihnachtsmann hören. Gemütlich setzte ich mich im dämmrigen Wohnzimmer in den Sessel vor den Kamin. Und wie es kommen musste, ich schlief wieder ein! Plötzlich, ein Schrei, dann ein Scheppern und Klirren, gefährlich langsam neigte sich der geschmückte Weihnachtsbaum in Richtung Aquarium. Unter dem Baum, der Weihnachtsmann, sein länger Rauschebart war verrutscht, die rote Mütze hing wippend an den Ästen der Fichte. Die Haare, golden und silbern, das Lametta war vom Baum abgefallen und hatte sich auf seinem Kopf abgelagert. Der Sack mit den Geschenken lag in der Glastür unseres Wohnzimmerschrankes, zerbrochen! Der Weihnachtsmann hatte in unserem Wohnzimmer, durch meine Falle, eine volle Bruchlandung hingelegt! Durch den Lärm aufgeschreckt, erschienen meine Eltern, die dem lädierten Weihnachtsmann aufhalten und aus dem Zimmer brachten. Der Geschenkesack, immer noch in der zerdepperten Glastür des Wohnzimmerschrankes! Und wenn das noch nicht genug wäre, die Kuckucksuhr neben dem Schrank, öffnete wie zum Hohn ihr Türchen und der Vogel zeigte durch sein Geschrei an, was die Stunde geschlafen hatte. Ich nutzte das Durcheinander, um aus dem Zimmer zu verschwinden, bevor mich meine Eltern erwischten, schlich in mein Zimmer und zog die Bettdecke über mich. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken! Am anderen Morgen traute ich mich nicht aus dem Bett aufzustehen, der Tannenbaum, zerstört und die Geschenke hatte der Weihnachtsmann sicherlich wieder mitgenommen. Aber ein Wunder war geschehen, der Baum stand wieder an seinem Platz, unter ihm die Geschenke! Das Einzige, was an die vergangene Nacht erinnerte, im Wohnzimmerschrank fehlte die zerstörte Glastür und im Aquarium schwamm eine Weihnachtsbaumkugel! Schade, auch dieses Jahr konnte ich den Weihnachtsmann nicht sehen und sprechen! Wie es so üblich war, kam am 1.Weihnachtsfeiertag Tante Else und Onkel Paul zu Besuch! Merkwürdig, wie so ging Onkel Paul am Stock, aus seinen grauen Haaren schimmerte es silbern und golden, seine Brille war mit Heftpflaster geflickt und seine Stirn zierte eine dicke Beule? Ich glaube, jetzt weiß ich, wer jahrelang am Heiligabend die Geschenke unter den Tannenbaum gelegt hatte!

Autor: Dieter Siebald