15. Türchen

Kindheitserinnerungen aus den 50er Jahren!

Früh wurde es dunkel, frostig und kalt war es draußen und in den Stuben brannten wärmende Feuer in den Öfen!
Meine Aufgabe war es gewesen, einmal am Tag die Aschekästen zu entleeren, in den Schuppen zu gehen und Holz für die Öfen zu holen.
Eine rutschige, mühsame und gruselige Arbeit, oftmals flog der Weidenkorb mit dem Holz quer über den Hof, einmal traf er die Tonkrüge mit den Soleeiern, diese zerbrachen und die Eier rollten die Kellertreppe herunter und lagen verstreut im Vorgarten! Sah man die Leute auf der Straße, waren viele erkältet und hatten eine Grippe!

Unsere Familie und ich hatten auch eine, aber die wurde mit „K“ geschrieben! Die Krippe wurde immer in der Vorweihnachtszeit im Wohnzimmer aufgestellt, sie sollte auf das bevorstehende Weihnachtsfest und die Geburt des Kindes einstimmen!

An einem besonders kalten Tag, Eisblumen waren an den Fensterscheiben, draußen gefror der Nebel in den Bäumen, da nahm ich Josef und das Kindlein aus der Krippe und stellte sie auf den Ofen im Wohnzimmer, sie sollten es auch warm haben. Aber ich glaube, sie konnten die viele Wärme nicht vertragen, das Kindlein veränderte seine Farbe und Josef zerplatzte mit einem lauten Knall in seine Einzelteile, die bis in die Küche, in den Stollenteig flogen! Für diesen Blödsinn wurde ich zum Teigrühren verdonnert und musste die gelernten Weihnachtslieder aufsagen, die ich auf der Blockflöte, unter dem Tannenbaum spielen sollte. Aber die Krippe sah ohne Josef blöd aus! Ich konnte ihnen doch nicht erklären, der Josef ist geplatzt!

In der Stube stand eine Schale mit Zwetschgen und Walnüssen, aus diesen baute ich den Josef neu, zwar nicht schön, aber selten! Wenn man nicht genau hinsah, war die Krippe wieder komplett! Was aber auffiel, das Kindlein in der Krippe, es sah aus, als hätte es zu lange in der Sonne gelegen. Ich bekam eine Schale mit Leimwasser vorgesetzt und ein Heft mit Blattgold, womit die Baumfrüchte verschönert werden sollten, das Blattgold musste man um die Nüsse blasen! Aber wie es so ist, alles hatte einen Haken, ich durfte vorher keine Luft von mir geben, auch die Luft im Bauch nicht, sonst verteilten sich die Goldblättchen im ganzen Wohnzimmer. Langsam veränderte sich meine Gesichtsfarbe, von dunkelrot ins Blaue, wegen des Luftmangels! Es kam, wie es kommen musste, die Nase fing an zu jucken und ich musste nießen, gleichzeitig entlud sich krachend das Methangas in meinem Bauch aus dem Auspuff! Das Blattgold segelte durch den ganzen Raum, nur nicht auf meine Nüsse!

Wieder bekam ich Ärger und eine neue, der nicht endenden Arbeiten zugewiesen. Der Lebkuchen sollte mit Silber-, und Goldpapier eingewickelt werden, nur essen durfte ich keinen und wenn doch, bekam ich eine Kopfnuss! Bis auf die Krippe, den Nüssen, den Soleiern und den Lebkuchen verlief die Vorweihnachtszeit ohne weitere Missgeschicke!

Endlich, es war Heilig Abend, ich saß im Badezuber in der Küche vor dem Herd, träumte von meinen schönen Geschenken, die ich vom Weihnachtsmann bekommen sollte! Plötzlich, wie aus heiterem Himmel, wurde ich mit einer Wurzelbürste und einem Stück Kernseife bearbeitet, bis mein ganzer Körper wie ein gekochter Krebs aussah! Mein Geschrei und Gezeter nutzte mir gar nichts, wenn das Christkind kommt, musste man sauber sein! Nach dieser Tortur stand ich in meinen Sonntagskleidern, wie neu, vor dem Weihnachtszimmer, ein Hauch von Kernseife und Lavendel umwehten mich und ich wartete auf die Bescherung.

Das Glöckchen erklang, ich betrat das Zimmer, in der Ecke, der Tannenbaum mit meinen eingewickelten Lebkuchen und vergoldeten Nüssen, die im Kerzenlicht aufblinkten. Unter ihm, die beleuchtete Krippe, komisch, sie sah so fruchtig aus! Alle Figuren waren aus Zwetschgen und Walnüssen, selbst das Kindlein in der Krippe! Toll, in dieser Jahreszeit hatten die meisten eine Grippe, aßen Zitronen und verzogen sauer das Gesicht, wir hatten auch eine, aber die wurde mit „K“ geschrieben und war aus Früchten und kerngesund!

Sagt selbst, eine normale Krippe, mit Eseln, Ochsen, Schafen, Hirten und den heiligen „Drei Königen“, die extra aus dem fernen Orient eine Dienstreise antreten müssen, um am 6. Januar bei uns einzutreffen, ist doch uncool! Unsere, aus Zwetschgen und Walnüssen, die hatten einen viel kürzeren Weg, sie waren aus Omas und Opas Schrebergärten von den Bäumen gefallen, der lag um die Ecke, in der Schillerstraße! Ist doch voll cool, oder?

Verfasser unbekannt